Ein Format entwickelt in der Zeit der großen Depression 1932. Klein und günstig genug um damit den Start für Generationen von Hobbyfilmern zu markieren. Homevideo nannte man es später. Es sollte das echte Leben ganz normaler Menschen festhalten…
Das ist die Basis für das 8mm-Project. Eine Multimedia Performance im oberösterreichischen Steyr. Zeitdokumente, bewegte Bilder eines lokalen Hobbyfilmers das Grundmaterial. Ergänzt und kombiniert mit populärem Film dieser Zeit.
was sehen wir? wie erinnern wir uns?
Das menschliche Gehirn ist ein Wunder, es speichert Informationen und lässt uns immer wieder an Dingen teilhaben, die wir schon längerer Zeit erlebt haben. Diese Erinnerung an unsere Vergangenheit ist es, die unsere Lernfähigkeit erst zu dem großartigsten Werkzeug gemacht hat, dass die Menschheit hat. Und dann gibt es da noch diese zweite Ebene, die Erinnerung an Dinge, die wir nie erlebt haben. Immer wieder wird
uns davon erzählt bis wir uns lebhaft daran erinnern können oder gar die Zeit wieder aufleben lassen – sei es in der Literatur, in der bildenden oder in der darstellenden Kunst. Ereignisse, die viele Menschen betrafen, haben ihren Weg in die Gechichtswissenschaften gefunden, werden Kindern und Jugendlichen bereits in der Schule beigebracht. Die kleinen Ereignisse, jene, die in der Familie statt fanden, blieben lange Jahre unbeachtet und vor allem undokumentiert. Das hat sich geändert.
die letzten Jahre sind geprägt von einer Kulturrevolution des Sehens
Die letzten Jahre sind geprägt von einer Kulturrevolution des Sehens. Die ständige Verfügbarkeit von aktuellen Bildern, aus dem privaten Rahmen bis hin zum weltbewegenden Ereignissen, prägt unsere Wahrnehmung einer Wahrheit, unserer Wahrheit.
Was wir nicht sehen, das glauben wir nicht. Und obwohl wir wissen, dass Bilder lügen können und den Fokus verschieben, glauben wir an die Wahrheit der Bilder. Oder eher die Wahrheiten. Der Zustand, über alles immer sofort informiert zu werden, ist verstörend. Er setzt voraus, auch die nötige Fähigkeit zu besitzen, ‚gute‘ Wahrheit von ‚schlechter‘ unterscheiden zu können: Wann werden wir manipuliert und von wem. Die neuen Massenmedien sind Facebook und Twitter, das Fernsehen hat nur mehr eine begleitende Rolle. Wir sind anfällig für Verschwörungstheorien. Nicht, weil wir zu wenig wissen, sondern weil wir zu viel wissen.
Wie viel einfacher war die Zeit vor der Revolution durch Camcorder, Handy-Kameras und digitaler Fotografie? Wo allein die technischen Gegebenheiten und die erheblichen finanziellen Kosten uns zwangen, sehr genau mit der Wahrheit zu haushalten. Nicht alles war es wert, festgehalten zu werden, wenn man für drei Minuten Film rund zwölf Stunden arbeiten und mehrere Wochen warten musste. Aber diese Filme waren auch nicht so einfach in der Konsumation. Der gemeinschaftliche Blick auf das gemeinsam aufgenommene war garantiert. Kaum jemand sah sich die Filme oder Dias alleine an. Fast immer wurde eine Gruppe versammelt – fast immer die Familie, manchmal auch entfernte Bekannte.
Doch wie immer die Dargestellten sich sahen, niemand hatte den Eindruck, das Abgebildete stelle die Realität dar: Die Missmutigen lächelten, die Schüchternen drehten sich grinsend weg, fast immer lachte jemand und mimte ein „Ach, du nun wieder“ zum Kameramann (die Ausnahme der Kameraleute waren Frauen, Amateurfilmen war ein zutiefst männlich besetztes Hobby), als er oder sie die Kamera auf sich gerichtet fand. Wenn Papa die Kamera raus holte, war das ein besonderer Tag und alle benahmen sich besonders.
Die Filme wurden vielleicht zwei mal angeschaut, danach verschwanden sie in den Kästen, in den Archiven der Familien. Und wurden nie wieder beachtet, bis irgend die technikbegeisterten Nachkommen die Orginale wieder in die Hand bekamen. Doch es passierte nur zu selten, dass die Filme durch eine Abtastung wieder abspielbar wurden, denn zu teuer, zu aufwendig war das Medium Film zu handhaben. Und so verschwinden und verschwimmen die Erinnerungen.
Und doch: Wir alle wissen, wie die Zeit ausgesehen hat. Wir glauben es zu wissen, denn wir sehen diese Zeit immer wieder. In alten Filmen aus der Zeit sehen wir, wie das Leben damals ausgesehen hat. Wie die Menschen gekleidet waren, wie sie sprachen, wie sie sich verhalten. Das war doch real, oder? Genau so real wie die Filme von heute das reale Leben wieder spiegeln. Oder doch nicht?
Dort setzt das 8mm-Project an. Es vergleicht, aber wertet nicht. Welches Bild ist wahr? Welches lügt. Wie verhält sich der Ort zum Gezeigten? Ein Ort definiert sich durch die Anwesenheit von jemanden. Diese Anwesenheit beschreibt und prägt den Ort, erst dadurch, dass ich einen Finger darauf lege, existiert dieser. Das klingt erst einmal zutiefst philosophisch, ist aber tatsächlich real. Woher wissen wir von Orten? Indem sie beschrieben werden wird ihnen ein Platz in der Landkarte der Wahrnehmung zugewiesen. Eine Insel, die noch nicht entdeckt, noch nicht kartographiert wurde, ist zwar existent, aber ein Ort ist sie deswegen noch lange nicht.
Durch die Aufnahmen der Familienbilder öffnet sich der Ort, er wird durch die Anwesenden als Ort der Familie definiert. Das Territorium wird besetzt. Durch das 8mm-Project öffnet sich der Raum des Gezeigten, er wird zu einem halböffentlichen Raum, Menschen, die die Familie nicht kennen, werden zu Beobachtern dieser Familie, werden zu einem ihrer Teile. Ob Dokumentation oder Spielfilm, das Medium Film im Kino bringt es mit sich, dass wir fühlen, mitfühlen.
das Kino als Ort der konzentrierten Filmwahrnehmung ist Vergangenheit
Das Kino als Ort der konzentrierten Filmwahrnehmung ist Vergangenheit. Es hat das Monopol am bewegten Bild mit Einzug der Fernseher in die heimischen Wohnstuben verloren. Das Material Film ist spätestens seit der flächendeckenden Lizenzierung von VHS und den ersten Versuchen Peter Greenaways mit HD-Video für den Kinoeinsatz ebenso in ein Rückzugsgefecht verwickelt. Die Demokratisierung der Bilder führt zum Untergang des ersten Trägermaterials. Und die Digitalisierung führt zum Verlust der Kontrolle über das Bild, denn die verlustfreie Reproduzierbarkeit führt zur freien Verbreitung. Die Mechanik des Filmbildes ist der Nachteil des Mediums, da es nicht einfach digital übertragbar ist. Doch auch sein Vorteil, denn die Lesbarkeit ist weiterhin gegeben. Anders als eine Aufzeichnung auf professionellen Halbzoll-Magnetbänder oder Heimvideoformaten wie Video 2000, die heutzutage kaum mehr lesbar sind, weil die Hardware heute zu selten und zu fehleranfällig ist, ist Film als Film auch dann noch lesbar, wenn die Projektoren verschwunden sind. Die Transparenz des Bildes, die auf Einzelbildern basierende Bewegung ist heute noch gültig und nachvollziehbar, auch wenn der Aufwand des Lesens dieser Formate mit Verlust der klassischen Projektoren groß ist.
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